Wenn man Küken in einem Brüter ausbrütet, muss man sich natürlich anschließend um die Aufzucht selber kümmern. Dass die Lütten nicht einfach sofort zu den großen Hühnern gesetzt werden können ist selbstredend. Denen muss, genau wie kleinen Kindern, alles gezeigt werden. Also fast alles.
Das geht ziemlich direkt mit der elementarsten Sache los: dem Futter. Die Kleinen hocken also nun in ihrem Küken Stall und gucken neugierig in die Welt. Man stellt ihnen adäquates Futter und Wasser hin, sie starren die Spender naiv doof, aus ihren unfassbar niedlichen Knopfaugen an, stehen davor und raffen nicht, was sie damit tun sollen. Man muss es ihnen also zeigen, was ja glücklicherweise mit einem Tippen des Fingers beigebracht werden kann und nicht mit dem Mund. Ich stelle mir in dem Zusammenhang vor meinem geistigen Auge vor, wie ich den Mini-Doofnasen Würmchen-Essen mit dem Mund beibringen sollte. Auch wenn ich nicht so der hysterische Typ bin, hätte ich mir in dem Fall das mit der Kunstbrut nochmal genauer überlegt. Dass Würmchen essbar sind haben die Mini-Doofnasen allerdings innerhalb von 5 Sekunden Tage später kapiert. Und sie benehmen sich mindestens genauso räuberisch wie die großen Doofnasen, als gäbe es nur einmal im Leben die Gelegenheit einen Wurm zu fressen. Dass ihre kleinen Kackis auch wie ein Wurm aussehen und NICHT gefressen werden sollen, erweist sich für mich beinahe als erzieherische Mammutaufgabe und viel Hand-und Kükengemenge im Käfig. Irgendwann haben sie auch das verinnerlicht.
Die zwei Nachzügler „Pattex und Uhu“ entwickeln kurze Zeit später Anomalien mit ihren Füßchen. Beide neigen zu Spreizbeinchen. Sie sind auch mickriger als die älteren Küken, was sicher auch an den beinahe zwei Tagen Schlupfunterschied liegen mag. Das ist dann das Risiko, welches man eingeht, wenn man eben doch hilft. Pattex ist immer noch dermaßen verklebt mit Eihaut, den gesamten Rücken runter bis zum Popo. Wir weichen ihn in warmen Wasser ein, da wir befürchten, dass er so gar kein Kacki machen kann. Laut protestierend schreit er das ganze Wohnzimmer zusammen. Stimmgewaltig sind die beiden allemal und stellen ihre älteren Geschwister um Längen in den Schatten. Mit dem Sitzbad haben wir ihm vermutlich zum zweiten Mal das Leben gerettet. Kurz nach dem Bad hat er einen „Torpedo abgeschossen“, wie es keins der restlichen Küken bislang geschafft hat. Sichtlich erleichtert und ausgehungert macht er sich über das gekochte Ei mit Haferflocken her.
Tochter1: „Guck, der hätte so nie ein Kacki machen können.“
Ich: „Stimmt. Jetzt ist der Bauch leer und da kann man den ja gleich wieder auffüllen.“
Tochter2 kommt hinzu: „Hä? Wo ist denn Pattex?“
Ich kichere: „Er hatte Wellness-Tag und ist nicht wiederzuerkennen!“
„Uhu“ ist das eigentliche Sorgenkind. Er hat so starke Spreizbeinchen, dass er kaum laufen kann. Ich betrachte mir das „deformierte“ Küken und wir beschließen, es mit einer „orthopädischen Korrektur“ zu versuchen. Zu zweit legen wir ein Minitape an die Füßchen und fixieren die Beinchen hühnerhüftbreit mit einem Gummiband, damit er Laufen lernen kann. Auch er schreit das ganze Wohnzimmer zusammen vor Empörung über diese unverschämte Behandlung. Stundenlang verkriecht er sich beleidigt in die letzte Ecke unter die Wärmeplatte. Ich versuche den Kindern schonend beizubringen, dass er es vermutlich nicht schaffen wird, da er außerdem auch sehr mickrig ist. Abends taucht er wieder auf und kann sogar recht gut mit seinen Gummis laufen. Laut schreiend bahnt er sich einen Weg durch seine verdutzt guckenden Geschwister zur Futterschüssel und versucht das größte Stück Ei runterzuschlucken. Was ihm erstaunlicherweise gelingt. Am Wassertrog schlürft er lässig das Wasser in sich hinein, legt den Kopf in den Nacken und kippt hinterrücks um. Wird leider nix mit der Coolness. Das bringt ihn allerdings überhaupt nicht aus der Fassung und er stakst wackelig und laut schreiend wieder zurück unter die Wärmeplatte. Unglaublich...
Federfüssige Zwerghühner sind zwar wirklich klein als Küken, aber auch extrem gewitzt, unkompliziert und robust. Was die wollen bekommen die auch. Sie sind wendig und schnell wie Speedy Gonzalez, selbst kurz nachdem sie aus dem Ei geschlüpft sind. Die zwei Mini-Federfüsse behaupten sich hier optimal unter den großen Küken und wenn es Futter gibt hocken sie sich als erste komplett ins Futter, damit sie auch dran kommen. Die anderen fressen dann einfach drum herum. Und damit dummerweise meist ungewollt auch gleich die Federn an ihren Füssen, mit denen sie schließlich im Futter sitzen. Jedes Mal, wenn ein lautes, schrilles „Kwäääk“ ertönt, kann man davon ausgehen, dass erneut einer aus Versehen eine Fußfeder im Schnabel hatte. Und erstaunlicherweise geben sie das gleiche Kwääken von sich wie Schneewittchen.
Und dann sind da noch die beiden Rabenvögel, die Ayam Cemani. Die fallen eigentlich kaum auf, schlängeln sich leise überall durch, und chillen oft VOR der Wärmeplatte. Die fallen lediglich dadurch auf, dass sie bereits aus dem Hasenkäfig rausspringen möchten, sobald man die Klappe auf macht, weil sie unglaublich neugierig und wendig sind.
Sohn2: „Das kann ja heiter werden. Da müssen wir ein Auffangnetz hinbauen, damit die nicht auf den Boden abstürzen.“
Sohn1: „Oder gleich ein Trampolin, hihi, dann können die gleich alle zusammen Sport machen.“
Ich stelle mir bildlich vor, wie diverse Küken als sich um die eigene Achse drehende Kugelgeschosse kreuz und quer durchs ganze Wohnzimmer fliegen. Und mittendrin voller Freude mitmachend Sohn1 und Sohn2. Mir wird ganz anders. Im Internet google ich `Kükenheim´ und bestelle einen kleinen, wartungsfreien Hühnerstall für die Zeit nach der Babystube unter der Wärmeplatte im Wohnzimmer-Hasenkäfig! Soweit kommt das noch, dass die Bande später mein Wohnzimmer unsicher macht. Reicht ja schon, dass die abends beim Fernsehen ständig dazwischen sabbeln. Guckt man zum Beispiel einen Krimi, muss ausgerechnet an der spannendsten Stelle lauthals gepiept werden. Das haben die schon richtig gut drauf.
Ich: „Oahr, Ihr sollt schlafen, Ihr seid noch Babys!“
Küken: „Piiiiiiiiiep, Kwääk!“ (Anmerkung: die Küken können noch nicht sprechen wie die großen Doofnasen draußen! Lernen die aber garantiert noch, grins!)
Modell Ehegatte: „Wat sabbeln die denn da die ganze Zeit? Ist doch längst dunkel draußen! Ist der Film nicht ab FSK 16? Die dürfen doch gar nicht mitgucken?“
Ich: „Seht Ihr?! Ich lege jetzt mal eine Decke auf den Stall und Ihr seid jetzt still! Gute Nacht!“
Fazit: Küken im Wohnzimmer sind schon ein Erlebnis! Und schon von der ersten Zellteilung im Ei legt sich ein eigener Charakter fest, so dass kein Küken dem anderen gleicht. Das sollte man mal genauer überdenken in Hinblick auf die Massentierhaltung...
PS1: Aufgrund des erhöhten Cafékonsums zurzeit gucke ich trotzig und schlaflos zwei Krimis hintereinander. Die Mini-Doofis haben noch bis nach Mitternacht gesabbelt. Kinder, ts, ts, ts!
Einen sabbeligen Abend wünsche ich Euch🌻!
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