Es gibt Ereignisse, die könnten schlimmer nicht sein. Zum
Beispiel Motorschaden, wenn man aufs Auto angewiesen ist. Oder defekte
Waschmaschine, wenn gerade riesen Wäscheberge und obendrauf noch gebrauchte
Fußball Klamotten gewaschen werden müssen (uhhh, mief!). Oder ein geschrottetes
Handy. Wenn man 14 Jahre alt ist. DAS ist nebenbei erwähnt der größte Super Gau
überhaupt.
Mittagszeit. Ich wurschtel in der Küche herum, um
rechtzeitig gleichzeitig 6 leckere (ICH muss lecker!) Essen auf den Tisch zu
bekommen, als Hund urplötzlich aus seinem Dauer-Deko-Schlaf erwacht und zweimal
ein tiefes Bellen von sich gibt. Er ist der Meinung, er müsste den Tür Gong
selbst noch zusätzlich akustisch untermalen, könnte ja sein, dass wir alle taub
sind. Tür wird geöffnet, auf die Bühne rauscht theatralisch hektisch Tochter2
mit hochrotem Kopf.
„Mamaaaa Du glaubst gar nicht was passiert ist mein Handy
ist einfach von gaaaanz allein aus der Tasche gefallen und ist jetzt aus wir
müssen gleichsofortunbedingtzumReparaturladenfahren…!!“
Atmen.
Sie greift zum Haustelefon und ruft ihre Freundin an.
Eigentlich voll old school für die Generation, denke ich so bei mir. Ich setze
mich unterdessen an den Tisch und fange an zu essen. Währenddessen beobachte
ich ihr Handy, was gelegentlich ein Summen von sich gibt und kurzes Aufblinken
erkennen lässt, mehr nicht. Mir kommen Bilder von finalen Zuckungen von
Schlachttieren in den Sinn. Kurz empfinde ich Mitleid für das geschundene Handy
meiner Tochter, denn es sah schon vorher ziemlich zerrupft…äh…angeschlagen aus.
Im wahrsten Sinne des Wortes.
Tochter2: „Hiiiilfe Annaaa, Du musst unbedingt alle Fotos
saven, die von neulich, als wir Fotosession am Gebüsch gemacht haben. Und
kannst Du auch mein Insta-account solange verwalten, sonst verliere ich alle
meine followääärs. Ach, und noch meine Flammen bei snapchat (oder war´s ein
anderes Medium? Wat weiß ich, so schnell kann ich gar nicht zu hören, hatte ja
den Mund voll!), die gehen sonst aus, das geht gaaaaa nich...“
Nach 30 Minuten, die restliche Familie ist längst fertig mit
Nachtisch, jault sie immer noch am Telefon herum. Ich tippe sie an, jetzt
endlich mal aufzulegen. Der Aufforderung kommt sie immerhin nach. Um gleich
mich weiter voll zu jaulen.
„Mama, können wir bittebittebitte jetzt zum Reparaturladen
fahren?“
Ich: „Glaubst Du im Ernst, dass die Schrottmühle noch
repariert werden kann? Das lohnt sich doch gar nicht mehr?“
Tochter2: „Das MUUSSS!! Was soll ich denn sonst machen? Oder
ich nehme das alte Eierphone von Tochter1?“
Ich: „Was vorher meins war…“
Tochter2: „Bitteeee Mama!“
Tochter1: „Ich muss erstmal gucken, wo das überhaupt ist…“
Ich: „Ich glaube nicht, dass das so ohne weiteres
funktioniert. Die hat doch ein ganz anderes System als bei dem alten
Eierphone?“
Tochter1, ganz fachmännisch: „Stimmt, ihre Daten kann se
dann knicken…“
Tochter2 wird total hibbelig und bekommt feuchte Augen. Mir
schwant langsam, dass Tochter2 gerade eventuell massive Entzugserscheinungen
hat. Irgendwo habe ich einen Bericht gelesen über die Gefahren zu intensiver
Handynutzung bei Jugendlichen. Es können Erscheinungen wie bei einem Café- oder
Alkoholentzug auftreten. Abgesehen von den körperlichen Erkrankungen durch
übermäßige Handynutzung können auch psychische Störungen auftreten.
„Sag mal, heulst Du jetzt etwa wegen dem Handy??“
Tochter2, heult: „Mamaaa, dann nehme ich eben mein gesamtes
Geld und dann leihe ich mir noch welches von Dir und zahl das auch ab und
können wir bittebittebitte jetzt ins MediaMarktParadies fahren und ein neues
Handy holen?“
Wir finden heraus, dass das alte Eierphone noch in einem
sensationellen Zustand ist. Allerdings hat Tochter1 das Passwort zum Entsperren
des Gerätes vergessen. Somit wertlos, wie uns hinterher erklärt wird. Mit einem
verheulten Häuflein Elend (Tochter2) betreten wir das MedienParadies und werden
von einem extrem netten Psychologen…äh…Berater über die ärgerliche Tatsache
aufgeklärt, dass wir wohl oder übel eine neues (oder eben woanders ein
gebrauchtes) Handy erwerben müssten, da der Vertrag noch kein neues Gerät
zulasse. Nach langem, lautstarkem Diskutieren – geblendet von den vielen
funkelnden Geräten bekommt Tochter2 plötzlich einen Höhenflug und möchte nun
unbedingt ein Eierphone – haben wir dann eine gute Zwischenlösung für ihre
akute Notlage gefunden, die sie sich direkt noch leisten kann.
Merkwürdigerweise werden wir von anderen Kunden schon mitleidig angeguckt. Ich
gucke auf die Uhr und stelle fest, dass wir den „MediaParadies Psychologen“
unfassbare 1 1/2 Stunden gequält haben. Ich hoffe nicht, dass er uns noch eine
extra Teenager-Notfall-Beratungs-Rechnung hinterhersendet. Oder selbst
behandlungsbedürftig wird.
Ich drehe mich um und sehe zwei Gänge weiter die
Computerabteilung. Während der „MedienParadiesPsychologe“ noch äußerst weise,
finale Verhaltensweisen in Hinblick auf das nigelnagelneue Handy an meine
Tochter ablässt, schleiche ich um die Laptops (oder wie man ja heute ganz cool
sagt: ultrabooks) herum. Ich bräuchte eigentlich dringend einen neuen Rechner,
um meine Doofnasen Geschichten entspannter schreiben zu können. Das alte Viech
(mein aktueller Rechner, knapp 10 Jahre alt!!) ist so schwer, dass er perfekt
auch zum Hanteltraining benutzt werden kann (nur mit zwei Händen zu stemmen)
und er hat einen Ventilator, trotzdem heizt das Ding auf den Beinen dermaßen
auf, dass man hinterher knusprig, gebratene Hähnchenschenkel hat. Und ich habe
schon immer gerne auf der Couch gehockt und geschrieben. Ein freundlicher
Berater kommt herbei und ich erkläre ihm, dass ich psychisch heute kurz vor der
Einweisung in die Geschlossene bin als Teenagermutter und eigentlich kein Geld
habe, aber trotzdem jetzt dringend einen Rechner mit word brauche!
„Jupp, hier, der hat das office pack, ist schön leicht und
klein, grillt Ihnen nicht die Oberschenkel und hat sogar eine 4 Jahresgarantie
inklusive!“
Ich: „Prima, nehm ich!“
Eine Minute später tauchen mein neuer Rechner und ich wieder
bei meiner Tochter und ihrem „Psychologen“ auf. Meine Tochter guckt mich
entgeistert an.
„Tja, siehste, ich kann mich schneller entscheiden als Du,
Ätsch!“
Zu Hause hockt jede von uns an ihrer neuen Errungenschaft
und flucht ab und an mal vor sich hin, denn die Installationen sind eben nicht
schnell in einer Minute erledigt. Genervt gucke ich auf mein Handy, um so einen
doofen Aktivierungscode einer sms in das neue Schätzchen einzugeben und knalle
es unsanft auf den Tisch zurück. Und da – zack – Display gesprengt!!
Fazit: Eigentlich hätte ich besser in die Cafémaschinen
Abteilung gehen sollen, um mir einen leckeren Café von den „MediaParadies
Psychologen“ kredenzen zu lassen, zur Nervenberuhigung. Aber ein vernünftiger
Rechner ist auch nicht zu verachten. Bringt schon Spaß den Text viel
entspannter hier einzutippen, grins! Kann ja auch hier auf meiner Couch viel
netter Café trinken.
PS1: Inzwischen ist Ruhe eingekehrt in die
hormongeschwängerte Teenie Seele. Ohne Handy geht leider auch nicht, man ist in
der Generation in der Klasse augenblicklich Außenseiter und schnell das Opfer.
Eigentlich echt traurig….
PS2: Ich hoffe, die MediaParadies Psychologen leben noch…
PS3: Morgen bekomme ich mein Neues Handy, knurr!
Einen medienfreien entspannten Tag wünsche ich Euch!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Mit dem Absenden eines Kommentars bestätigst du, die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen zu haben.