Ich gebe es zu, ich oute mich, ja es ist die Wahrheit, ich
kann es nicht leugnen, und es lässt sich nicht ändern: Ich bin ein WEICHEI!!
Ich bin nicht sonderlich hysterisch, habe 5 Geburten mit 4
lebenden Kindern überlebt ohne großes lamentieren. Eher unter dezentem Fluchen,
wobei „dezent“ stark untertrieben ist: von manchen Kraftausdrücken wusste ich
selber nicht mal, dass ich sie kannte. Aber was erreicht man nicht alles unter
richtigen Schmerzen: alle wohlbehalten auf der Welt gelandet. Ich kann lebende
Schlangen, Schneckenschleim, Spinnen und Zecken anfassen ohne vor Ekel
auszurasten, kann Leuten, die sich übergeben müssen die Schale halten, den
Inhalt, sollte er dummerweise nicht in der Schale gelandet sein, weg putzen,
kann tote Tiere von der Straße abkratzen, den Klobehälter vom Wohnwagen
reinigen (was bleibt mir auch anderes übrig, ist ja mein eigener Wohnwagen), an
menschlichen Leichen herumschnippeln (im Zuge meines damaligen Anatomiekurses),
auch an Lebenden (nicht Leichen! Obwohl manche haben lebend mehr Ähnlichkeit
mit Leichen als Leichen selber), um ihnen z.B. eine Verletzung zu erleichtern,
Wasserleichen jeglicher Spezies, große Hitze ohne Kreislaufprobleme ertragen
und üble Gerüche aushalten.
ABER ich kann NICHT: lebende Aale anfassen, Rosenkohl und
schwäbische, saure Nieren essen!! Würg! Und ich kann keine Lebewesen töten!
Nicht mal Zecken. Und da ist das Problem…
Die Brüter-Wüter und Naturbrut Küken sind nun bereits fünf
Monate alt. Schon bald erkennt man, zumindest bei meinen Rassen (Ayam Cemani,
Araucaner-Marans-Mixe, federfüßige Zwerghühner und
Vorwerk-Teppich-Thermofix-Hühner), wer ein ganzer Kerl werden will und wer die
Eier in die Kiste legt. Bei Menschen ist das ja eigentlich genau anders herum,
da erkennt man eher, wer die Eier in der Büx……ok, lassen wir das. Jedenfalls
sieht man bei manchen eindeutig, wer Hahn ist und wer nicht. Nun habe ich ja
schon damals, bevor ich überhaupt Hühner angeschafft habe, meinem Bekannten Uwe
das Versprechen abgerungen, dass er mir im Falle eines Falles diesen finalen
Schritt abnehmen muss, da ich es einfach nicht kann. Diesen Dienst musste er
mir direkt 4 Wochen nachdem die ersten Doofnasen einzogen erweisen, denn damals
war gleich eine Henne sehr krank geworden und hatte keine Chance.
Nun ist die Wahrscheinlichkeit fast genauso zu berechnen wie
ein Lottogewinn, dass man nur Hennen in seiner Brut heraus bekommt, daher muss
man sich schon im Vorfeld Gedanken darüber machen, was aus den überschüssigen
Hähnen einer Brut wird. Alle kann man ja leider nicht behalten. Obwohl
besonderes ich das extrem bedauerlich finde, denn sie sind ja meistens
besonders hübsch. Bei den Doofnasen sind insgesamt 6 Hähne rausgekommen.
Pattex, das weiße Araucaner-Marans-Klebeküken, was nach dem Schlupf erst einmal
gebadet werden musste, Luzifer, der schwarze wunderschöne Marans-Araucaner, mit
Augen wie vom Teufel persönlich und einem anmutendem, eleganten Gang, der dem
eines Gentlemans gleicht, Blacky, Ayam Cemani, der Hahn, der überall herum
flitzt, in meiner Urlaubsabwesenheit auch auf der Straße herumturnte und sicher
manches Mal zu übermütig war, der Kuschelhahn aus Kükenzeiten, der aber dann
der Meinung war, er sei jetzt groß und müsse nicht mehr kuscheln und zwei
Vorwerk Hähne, der eine mit einer Hüftdeformierung seit dem Schlupf und der
andere, riesengroß, wunderschönes Federkleid, aber hektisch wie ein
Eichhörnchen. Er flattert ständig herum, weswegen er den Namen „Aladin mit dem
fliegenden (Vorwerk-) Teppich“ erhielt. Was ein Wortspiel! Total witzig. Nicht!
Nach der Rückkehr aus dem traumhaften Hitzeurlaub wurde mir
schon auf der Fahrt per Whatsapp von „Modell Ehegatte“ mitgeteilt, dass der
eine Vorwerk Hahn kaum noch laufen könne und er ihm deswegen das Futter in den
Stall gereicht habe, er sei schon so mager. Sofort machte ich einen Termin bei
Uwe, um ihn von seinem Leid zu erlösen. Also den Vorwerk Hahn. Nicht Uwe. Der
klagte mir nämlich auch gleich sein Leid mit seiner Arthrose-Hüfte und dass er
vollstes Mitleid mit meinem Hahn habe. Aber einen Uwe kann man nicht deswegen
einfach schlachten. Und besonders ich hätte immens was dagegen. Tochter1 wollte
unbedingt mal mit zu Uwe kommen. Ich erklärte ihr, dass es aber nicht gerade
der Besuch mit dem erfreulichsten Hintergrund sei. Die Neugier siegte. Nach dem
der Vorwerk Hahn von seinem Leiden erlöst und friedlich in der undurchsichtigen
Tüte an meiner Hand baumelte, versuchte Uwe erneut mich zu überreden.
Uwe: „Chrissi, Du musst das ja mal selber lernen. Ich bin ja
nicht ewig am Leben (er ist bereits über 70) und wer soll das denn dann
machen?“
Tochter1 noch etwas benommen: „Ich könnte das auch nicht!“
Ich: „Deswegen musst Du gaaanz lange leben! Eher höre ich
mit der Hühnerhaltung auf, als dass ich das selber machen kann.“
Uwe: „Ach Quatsch…!“
Uwes Mama taucht auf. Ja, richtig gelesen! Uwe hat noch eine
lebende Mutter, die 93 Jahre alt ist, fit wie ein Turnschuh und sich komplett
selber versorgt. Sie wohnt mit auf dem Hof bei Uwe und seiner Frau und sorgt
sich auch noch um ihren kleinen Vorgarten, der immer tadellos aussieht. Ab und
an schlachtet ihr Uwe eine Taube, denn sie meint, das sei die richtige Portion
an Fleisch für eine alte Frau. Sie ist lediglich ein wenig schwerhörig und man
muss sie eher anschreien, wenn man sich mit ihr unterhält.
Uwes Mama: „Ach Chrissi, das ist ja schön, dass Du mal
wieder vorbei kommst. Muss Uwe Dir wieder ein Huhn schlachten?“
Schön, wenn einem der Ruf voraus eilt, besonders so einer
mit Tötungsabsichten als Hauptgrund.
Ich schreie: „Ja, leider! Ich habe hier einen Hahn, der kann
überhaupt nicht mehr laufen und ist total abgemagert gewesen!“ Vorsichtig
schlenkere ich die Tüte mit dem soeben Verblichenen.
Uwes Mama: „Ach der Arme! Aber hilft ja nix wenn er krank
war! Ich konnte auch nie ein Tier töten. Das hat immer mein Mann gemacht (Uwes
Papa). Wir hatten damals immer Schlachttage und da habe ich alle Hühner und
Tauben gerupft und ausgenommen. Aber ne, schlachten kann ich die nicht selber!
Uwe, ich könnte mal wieder ein Täubchen vertragen?“
Kurz blitzt eine liebevolle Kindheitserinnerung in mir auf,
wie ich damals mit meiner Oma gemütlich im Keller saß und Fasane und Kaninchen,
die mein Opa geschossen hatte, rupfte, abzog und ausnahm. Ich erinnerte mich
daran, dass die Wildtiere extrem unangenehm gerochen haben. Gegessen habe ich
dann Nudeln mit Tomatensauce. An Uwe gerichtet schreie ich:
„Ach sooo??? Deine Mama ist ja wie ich! Aber ich soll das
lernen, oder wie?“
Uwe: „Na toll, Muddern, fall mir noch in den Rücken!“
Uwes Mama: „Na, was wahr ist, ist wahr! Du kannst das ja
sehr gut!“
Ich grinse Uwes Mama verschwörerisch an: „Da hast Du absolut
recht!“
Eine Woche später stehe ich etwas planlos im Hühnergarten
herum. Hinter mir ertönt plötzlich ein Geräusch, als blase jemand in eine
verrostete Trompete oder Blechdose. Verwirrt drehe ich mich um. In einer
kleinen Entfernung steht Luzifer und starrt mich an. Er beugt sich nach vorne
und erneut ertönt das merkwürdig blecherne Geräusch. Sein erster Krähversuch!
Ich beginne mich zu biegen vor Lachen. Kaum, dass er seine Krähversuche beendet
hat, kommt aus dem Gebüsch neben ihm der Ayam Cemani Hahn Blacky angefetzt und
es beginnt eine wilde Rauferei. Der Ex-Kuschelhahn kommt angerannt und mischt
sich ein, aus dem Carport erscheint Pattex und plustert sich ebenfalls auf. Es
wird sich gegenseitig gekloppt, der Staub wirbelt auf und die Federn fliegen
nur so durch die Gegend. Ich hole einen Besen und gehe dazwischen. Immerhin
beeindrucke ich noch und sie hören auf. Eine Stunde später beobachte ich
Luzifer, wie er Lotti, die kleine, zutrauliche federfüßige Zwerghenne besteigt.
Sie bricht unter seinem Gewicht zusammen (er ist mehr als doppelt so groß) und
kann sich gerade so unter den Aufzuchtstall retten. Ich hole mein Handy und
schreibe Uwe eine Whatsapp Nachricht.
An Tag X verteile ich Würmchen im Gehege, schließe die Tür
und greife mir einen pubertierenden Hahn nach dem anderen. Mit 4 Hähnen im
Obi-Karton treten wir die finale Reise an. Unterwegs bekomme ich richtig
schlechtes Gewissen.
Chrissis Teufel auf der linken Schulter: „Naaa? Jetzt sind
sie dran die Krawallnudeln. Und Du bist schuld!“
Chrissis Engel auf der rechten Schulter: „Es ist das Beste.
Wenn Du sie inserierst, will sie eh keiner haben und wenn sie einer nimmt,
schlachtet er sie selber für sich für umsonst. Dann kannste sie auch selber
verwerten. Außerdem sind die Hähne viel zu groß für die Zwerghühner.“
Chrissis Teufel: „Aber sie haben alle Namen! Guten Appetit,
heute gibt es Pattex als lecker Braten an Orangensauce! Wird bestimmt ein
Festschmaus!“
Chrissis Engel: „Ach Quatsch! Die sind nicht umsonst
gestorben und schmecken bestimmt himmlisch gut. Sie sind die biologischsten
Hühner weit breit!“
Chrissis Teufel: „Jaja, war klar, dass so eine Aussage von
Dir als göttlicher Flügelträger kommen musste! Trotzdem ist ihr Leben beendet
und das ist der Punkt!“
Chrissis Engel: „Darf ich Dich erinnern, dass Du ebenfalls
ein Flügelträger warst und von Gott verbannt wurdest, weil….“
Ich rufe laut dazwischen: „Schluss jetzt! Es gibt nun mal
keine andere Möglichkeit momentan. Und außerdem muss ich das alles mal
mitmachen….“
Aus dem Obi Karton im Kofferraum, vierstimmig: „War was?“
Ich versuche noch einen letzten kläglichen, erfolglosen
Vermittlungsversuch an Uwe, kurze Zeit später fahren 4 noch warme, leblose
Körper und eine von schlechtem Gewissen und Schuldgefühlen geplagte
Hühnerbesitzerin wieder nach Hause, um die Nacharbeiten zu tätigen.
Bevor ich starte, gieße ich mir extra ein Glas Rotwein ein,
den ich sonst kaum noch konsumiere. Irgendwie muss frau sich Mut antrinken.
Früher war Oma dabei. Nun stehe ich alleine davor. Selbst das vorlaute „Modell
Ehegatte“ (O-Ton: Jaaa, ich schlachte sie Dir und rupfe mit) macht beim Anblick
der kopflosen Hähne einen Rückzieher und verkrümelt sich auf die Couch. Muschi!
Also pfusche ich mir eine „Rupfhängevorrichtung“ auf Anraten von Uwes Frau
Monika auf der Terrasse zurecht und befolge auch sonst ihre wertvollen Tipps.
Es klappt tadellos und meine Laune bessert sich. Nun habe ich den Anspruch an
mich selbst eine „erstklassige Ware“ abzuliefern. Der Wein schmeckt auch immer
besser. Für das Ausnehmen fehlt mir im Grunde ein geeignetes Messer, mein
großes, super scharfes Fleischer-Lieblingsmesser ist wirklich beinahe zu groß.
Ich wünschte mir mein Skalpell aus der Uni herbei, mit dem ich sicher ein
erstklassiges Präparat abgeliefert hätte. Die „Ausnehmerei“ eines kleineren
Ayam Cemani Hahnes habe ich mir leichter vorgestellt. Selbst meine Hand passt
kaum in den kleinen Körper herein. Aber auch da, alles heile, alles sauber.
Ich gucke auf die Uhr: 1.00h nachts! Mein Rücken beschwert
sich, er weiß anscheinend als einziger wie spät es tatsächlich ist. Alle Hähne
sind küchenfertig und sehen aus wie gekauft. Ich wiege sie sicherheitshalber
nochmal. 1,4kg bringt der größte auf die Waage. Erstaunlich! Ich bin froh, dass
ich die nackten Hühnchen nicht mehr zuordnen kann. Außer Blacky, den Ayam
Cemani Hahn. Er ist halt schwarz. Ich verpacke alle sauber in Tiefkühltüten und
lege sie in unsere Truhe. Die Flasche Rotwein ist fast alle. Das rächt sich am
nächsten Morgen an meinen Gelenken!
„Hihihi, kommt davon!“, kichert der Teufel auf meiner linken
Schulter.
„Jaja, lass mich in Ruhe!“ antworte ich genervt.
Am nächsten Morgen schenke ich Nachbarin hinten einen Hahn.
Fazit: Wenn man sich Hühner anschafft, gehört auch die
Überlegung dazu, was mit den Tieren im Krankheitsfall und bei Nachzuchten
passieren soll. Manche stecken Unsumme in Tierärzte und verkaufen, oder
verschenken die Hähne. Andere nutzen nicht nur ihre Eier, sondern auch das
Fleisch. Alles andere, wie z.B. Aussetzen, ist illegal! Aber entscheidend ist,
egal für welche Variante man sich entscheidet, dass man verantwortungsvoll und
artgerecht mit den Tieren umgeht.
PS1: Ich konnte mich noch nicht durchringen, den ersten zu verspeisen.
Ist aber auch aktuell zu heiß für opulente Braten.
PS2: Uwe fragt, ob ich nicht noch eine „Charge Hähne“
aufziehen wollte. Das habe ja super geklappt, nachdem ich ihm die Nacharbeiten
bildlich dokumentiert habe. Wir drei, Teufel links, Engel rechts und ich
mittendrin sagen definitiv NEIN für dieses Jahr!
PS3: Seit die vier Randalierer weg sind, ist die
übriggebliebene Herde wesentlich harmonischer geworden.
PS4: Aladin mit dem fliegenden (Vorwerk) Teppich ist nur
deshalb noch am Leben, weil er abgehauen ist und sich nicht in die Voliere
getraut hat. Zur Zeit ist er sehr lieb, hängt mit Obi und seiner Vollschwester
ab und darf solange bleiben, wie er ruhig und lieb ist.
Einen gewissenhaften Tag wünsche ich Euch!🌞
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