„WO WARST DU DENN SO LANGE????“
Ich versuche durch die Absperrung im Carport in den Hühnerbereich zu gelangen. Trotz einem ausgeprägten Staksgang, der einem Flamingo im Sumpfgebiet Konkurrenz macht, komme ich keinen Meter weiter. Die Doofis, insbesondere die Brüter-Wüter, umringen freudig meine Füße, als wäre ich überraschenderweise lebend aus dem Krieg zurückgekehrt. Ich versuche den Rückwärtsgang einzulegen und schiebe meinen Fuß an die Hausmauer. „Schreiten“ ist ausgeschlossen, da ich dann mit 100 prozentiger Garantie auf einen Hühnerfuß oder gleich auf eine komplette Doofnasen drauftrete. Zurück im Haus greife ich mir die Würmchen Box und stehe kurz darauf erneut an der Absperrung, um einen zweiten Versuch zu starten. Diesmal bin ich schlauer und werfe in eine angemessene Entfernung zum Durchgang eine Handvoll Würmchen. Seien wir realistisch, sie freuen sich nicht darüber, dass meine leibhaftige, menschliche Hülle inklusive des zweifelhaften Charakters wieder zurückgekehrt ist, sondern, dass an dieser Hülle Hände dran hängen, die in der Lage sind, Leckereien zu verteilen. Es geht wie eh und je nur um das eine: Fressen! Immerhin, der Plan geht auf und bis auf ein zwei besonders anhängliche Küken, komme ich durch die Absperrung, ohne ein Huhn zu zertreten.
Berta wiederholt sich ernergischer: „Maaann, Chrissi, wo warst Du?“
Elfriede: „Wir waren ganz alleine! Stell Dir mal vor, wir hätten verhungern können!!“
Federchen1 (eines der federfüssigen Zwerghühner, die beide übrigens Hennen sind, und sich entschlossen hat, `Kuschelhühnchen´ zu sein): „Mama??? Aaaaarm!!“
Ich nehme Federchen1 auf den Arm: „Aaaalso erstens, ich war gerade mal 4 Tage weg, naja, zweimal vier Tage, `Kinder lüften´ an der Ostsee, zweitens, waren Hund und Modell Ehegatte zu Hause. Ok, das hilft Euch jetzt auch nicht so viel, denn Modell Ehegatte ist dann ja urplötzlich der Meinung, er müsse sich nicht um euch kümmern, weil er ja keine Hühner wollte, und…..“
Charly unterbricht mich: „Siiiehste?? Der ist voll doof!“
Obi: „Gar nicht! Der ist immer voll nett zu mir und teilt mir die neusten Bundesliga-Ergebnisse mit!“
Elfriede: „Wozu musst Du denn Deine Kinder lüften? Die sind doch eh fast den ganzen Tag draußen und springen wie die Bekloppten auf dem Trampolin herum und werfen mit den ganzen Fußbällen um sich?!“
Ich: „….driiiittens, haben sich die Hühner-Nachbarn sehr wohl um Euch gekümmert! Das wurde mir bildlich dokumentiert!“
Elfriede: „Guck mal, alles leer, wie kann das denn sein, hä??“
Ich: „Na, vielleicht, weil Ihr ein verfressenes Pack seid? Ich weiß zum Beispiel, dass Ihr einen extra für Euch angefertigten Eisklumpen mit Gemüse, Körnern, Früchten, Würmchen, et cetera bekommen habt. Die Nachbarn haben sich voll fett Mühe gegeben, um Euch zusätzlich zum extra Futter auch noch zu beschäftigen!“
Berta und Elfriede gluckern irgendwas unverständliches vor sich hin.
Obi: „Da waren tatsächlich Leute und haben uns was zu fressen gebracht.“
Gedankenverloren kraule ich Federchen1 den Nacken. Sie piept und schnurrt leise genießerisch vor sich hin. Obwohl die Brüter-Wüter Küken inzwischen 10 Wochen alt sind, können sie bei solch einer Kuscheleinheit das süßeste Küken Piepen ablassen. Ein oskarprämierter Stimmenimmitator ist eine Null dagegen. Ich wandere mit ihr durch den Garten und mache einen ersten Check. Zurück im Carport setze ich Federchen1 vor einem der Fressnäpfe ab, fülle die Körnerschiene auf und beobachte die Doofis dabei, wie sie sich völlig ausgehungert über das Körnerfutter stürzen. Man kann´s auch übertreiben. Ich fege, putze, sammele Köttelchen ein und will noch den Stall sauber machen. Beschwingt öffne ich die Stalltür. Da hocken Emma und Mathilda in je einer Katzenkiste. Und GLUCKEN!
Ich. „Ernsthaft?? Ihr gluckt BEIDE??? Ich glaub es hackt! Erst will hier keiner auch nur ein Fünkchen von Mutterschaft wissen und nun belagert die mütterliche Hormonwelle im Doppelpack das gesamte Nestareal im Stall? Kaum sind Deine Gören aus Deiner mütterlichen Flügelobhut entflohen, Emma, hockst Du schon wieder? “
Emma. „Hau ab!“
Ich genervt: „Klar! Was sonst! Alte Leier!“
Mathilda: “Knurr! Geh weg!“
Ich verdrehe die Augen, und greife beherzt unter Emmas Bauch. Das Picken ignoriere ich todesmutig und berge drei warme Eier. Mathilda ist Neuling im Glucken und so überrascht, dass sie beim Gefummel unter ihr einen eher erstaunten, überraschten Ausruf ablässt. Um jegliche Zweideutigkeit in sexueller Hinsicht des letzten Satzes zu vermeiden: ich fummelte im HEU herum und Mathilda ist ein HUHN!!
Ich: „Nur zur Info. Ihr könnt da hocken wie Ihr wollt, dieses Jahr gibt´s keine weiteren Küken. Hier ist die Bude voll!“
Mathilda: „Mir egal! Ich bleibe hier sitzen!“
Emma: „Meine Ex-Babys sind eh immer drüben beim Nachbarn. Ich hab doch nix zu tun. Bringst Du mir nochmal ein paar Eier?“
Ich: „Nix gibs!“
Zurück im Haus ruft „Hühnerhosen-Nachbarin“ an. Sie hat mit ihrem Mann die Doofis während meiner Abwesenheit betreut.
Hühnerhosen- Nachbarin: „…die waren am zweiten Tag dann ganz zutraulich, als wir kamen. Aber so viele Eier haben die irgendwie jetzt nicht gelegt?!“
Ich: „Naja, die Marans-Tussen sind beide gluckig, braune Eier gibts daher eh nicht. Habt ihr die Geheimverstecke überprüft?
Hühnerhosen-Nachbarin: „Ich glaub, mein Menne hat da rein geguckt!“
Das Telefonat lässt mir keine Ruhe. Nachmittags gehe ich ins Doofnasen Reich und checke die undurchdringliche Gebüschwelt. Die einschlägig bekannten Verstecke sind sauber. Ich will gerade wieder zurück und sehe etwas auf Höhe des Autos. Beim Reinkriechen in die Efeuranken tauchen ACHT Eier auf! Ein neues geheimes Geheimversteck!
Ich whatsappe die Hühnerhosen-Nachbarin an: „Eiersuche im Efeu! Wer ordentlich sucht, der findet! Da sind Euch wohl etliche Eier durch die Lappen gegangen?! (Grinsesmiley, Huhnsmiley, Eismiley)“ Bild. Kichernd stelle ich mir die überraschten, langen Gesichter der Nachbarn vor. Andererseits tun sie mir auch ein bisschen leid. Die Doofnasen sind halt ein ganz anderes Kaliber als ihre entspannt-treudoofen Puschel-Orpingtons. Und da nun zwei Nester mit ätzenden Glucken besetzt sind, muss der Rest der Doofis unbedingt outdoor-Legen. Aber sonst kann man sich problemlos zu viert in eine Katzenkiste quetschen. Soll mal einer diese Hühner verstehen.
Nächster Tag. Ich stehe im Hühnergarten. Federchen1 schnurrt um meine Füße herum und will auf den Arm. Berta guckt mich erwartungsvoll an.
Berta entschieden: „Du lässt uns nie wieder alleine?!“
Ich beobachte sie, wie sie mit Elfriede loszieht und unter ihrem Lieblingsgebüsch herumscharrt. Oben hinterm Zaun auf Nachbars Seite, wie eh und je zu meinem Leidwesen, tippeln und picken die drei Vorwerk-Verrückten herum. Die Ayam Cemanis flitzen hinter einer Fliege hinterher. Obi steht morz wichtig steif und aufrecht und kräht ab und an vom Stalldach herunter. Die Brüter-Wüter turnen am Steinhang herum und messen sich spielerisch im rauf und runter hopsen. Das Sperber-Duo sonnt sich in ihrer selbst gezimmerten Staubbadewanne. Federchen1 entdeckt ihre Schwester und will runter von meinem Arm. Zusammen ziehen sie um die Hausecke und untersuchen das Futterangebot. Ich stehe einfach nur da und genieße diese Harmonie. Ich erzähle ihnen lieber nichts davon, dass ich im Sommer ganze drei Wochen nicht da sein werde…
Fazit: Es ist echt toll, mal einen Tapetenwechsel zu haben und in den Urlaub zu fahren. Aber es ist auch genauso toll zurück zu seinen Tieren zu kommen und zu merken, dass sie einen wiedererkennen.
PS1: Die Nachbarn hatten trotzdem ihren Spaß mit den Doofis und sind bereit im Sommer auch auf sie aufzupassen.
PS2: Dass da dann alles glatt läuft, wage ich stark zu bezweifeln. Es sind halt die Doofnasen. Und das ist gut so.
Ein entspanntes Wochenende wünsche ich Euch🌻
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