Neulich klingelt es an der Haustür und eine Freundin steht
auf der Matte. Mit einer außergewöhnlichen Frage. Die Frage ist allerdings bei
näherer Analyse nicht mehr ganz so außergewöhnlich, wenn man ihre Hintergründe
kennt.
„Chrissi, ich würde mir zu gerne einen Hund anschaffen! Was
sagst Du dazu?“
Es ist eine Frage, die man abgewandelt genauso gut einem
ausgehungerten Löwen hätte stellen können, in dem man ihn fragt, ob er einen
frischen Wildschweinschenkel haben wolle. Oder ein kleines Mädchen, ob sie
jetzt ein echtes Pony haben möchte, was sie sich schon seit Jahren wünscht.
Oder einem Autoverrückten seinen Traum-Ferrari anbietet. Oder…oder…
In dem Fall ist es so, dass ausgerechnet ich die unfähigste
Nein-Sagerin unter dem Mond bin, wenn es darum geht sich ein Tier anzuschaffen.
Aber manchmal kann ich auch rational denken. Sich einen Hund anzuschaffen hat
natürlich eine andere Tragweite als sich zum Beispiel einen Hamster zuzulegen.
Oder Hühner. Beide leben in der Regel nicht so lange und sind im Unterhalt
nicht so teuer wie ein Hund oder Pferd. Andere Leute müssen das für sich
genauso gut wissen, wie ich für meine Tiere (Pferde, Hund, Hühner, Kinder,
Ehegatte!)
Warum die Frage nun so außergewöhnlich ist, liegt daran,
dass die Freundin an Krebs erkrankt ist und sich nach der üblichen
Therapie-Arie zurzeit besser fühlt. Leider weiß man bei der blöden Krankheit
nie so genau, wie lange man sich besser fühlt. Fühlt man sich besser, weil man
geheilt ist, oder fühlt man sich besser, weil es gerade pausiert und man sich
deswegen besser fühlt? Und man weiß auch nie genau, dass die Lebenszeit die
einem bleibt, noch dieses Jahr, vielleicht noch 2, 5, 10 oder 40 Jahre betragen
kann. Auch in ihrem Fall. Die Frage lautete also genau genommen: „Wenn ich mir
einen Hund anschaffe und in 1 oder 2 Jahren sterbe, oder oft im Krankenhaus
liegen muss, würdest Du den Hund dann nehmen? Auch im absolut schlimmsten Fall,
für immer, sollte mein Mann mit den drei Kindern nicht in der Lage sein, sich
auch noch um einen Hund zu kümmern?“ Der Zeitraum, der für dieses Anliegen in
Frage kommt, richtet sich hier nach der voraussichtlichen Lebenserwartung des
Hundes. Ich finde es weise darüber nachzudenken. Sich nicht wissentlich einfach
egoistisch einen Hund anzuschaffen, der dann schlimmstenfalls drei Jahre später
im Tierheim landet, weil Herrchen verstorben ist.
Ich überlegte kurz. Nur ganz kurz und sagte dann ja! (im
fortgeschrittenen Alter brauchen die Hirnleitungen manchmal ein bisschen länger
eine Informationsweiterleitung inklusive Verarbeitung zu bearbeiten und im
Anschluss ein Ergebnis auszuwerfen!) In dem Augenblick kam Modell Ehegatte aus
dem Büro und er musste auch gefragt werden. Wir leben ja schließlich hier in
einer großen WG mit den 4 Kindern, dem eigenen Hund und den Hühner hinterm
Haus. Auch er sagte ohne große Umschweife ja! Das war also geklärt, nun ging es
um die Rasse des Hundes. Sie hatte sich schon zwei Labrador-Anzeigen
ausgeguckt. Trotzdem blieben ihr Restzweifel, diesen großen mitunter auch
anstrengenden Schritt zu wagen, sich einen Welpen ins Haus zu holen.
Meine Denkweise dazu ist eigentlich Berufs- und
erfahrungsbedingt ganz einfach. Tiere sind ein unglaubliche guter Therapie
Partner. Manch eine Tiertherapie hat mehr erreicht, als bergeweise Medikamente
in einen Patienten reinzustopfen. Und das ohne Nebenwirkungen. Hunde und Pferde
werden oft als Therapietiere eingesetzt, da sie meist freundliche, dem Menschen
zugewandte Wesen sind, flauschiges, weiches Fell besitzen (gut für die
Sensomotorik, schlecht für Fleecejacken und Polstermöbel!) und eine unglaublich
positive Wirkung auf die Psyche des Patienten haben. Erholt sich die Seele,
verbessert sich häufig auch der restliche physische Zustand. Und deswegen würde
ich stets dafür plädieren. Es gibt allerdings Ausnahmen. Ist jemand zum
Beispiel hochgradig allergisch gegen Katzen, würde ich ihm davon abraten, sich
ausgerechnet eine Katze anzuschaffen. Wie ich selber zum Beispiel. Ich hab
dafür Hühner, die Doofnasen. Da kann ich sogar noch deren „Nebenprodukte“, ihre
Eier konsumieren. Was natürlich auch nicht heißt, dass sich jeder Hühner
anschaffen soll.
Kurzum, fuhr die Freundin noch am selben Tag in unseren Ort
sich einen braunen Labbi-Welpen anzusehen. Es gab mehrere Bewerber und sie
wurde nicht ausgewählt. Die zweite Adresse bedeuteten 2 Stunden Autofahrt von
uns aus. Wieder kamen ihr Zweifel, ob das eine so gute Idee sei mit dem Hund.
Ich bestärkte sie hinzufahren. Was könnte denn passieren? Schlimmstenfalls
fährt sie ohne Hund nach Hause. 4 Stunden später war ein cremefarbener 10
Wochen alter Mini-Labrador eingezogen!
Zwei Wochen später spazierte ich mit unserem Chill-Hund bei
ihr vorbei, um die beiden Vierbeiner miteinander bekannt zu machen. Unser Hund
ist mit Welpen unendlich geduldig (er ist nebenbei erwähnt auch als
Therapiehund bei meiner Arbeit im Einsatz) und so tollten die beiden im Garten
herum, bis Baby-Hundi schlicht und ergreifend nicht mehr konnte. Er schlief
nach dem Besuch stundenlang. Meine Freundin zog ein erstes Fazit: „Der Kleine
ist einfach unfassbar lieb und passt so gut zu uns. Er war nach 2 Tagen
weitestgehend Stubenrein und verträgt sich mit den beiden Katzen. Und ich
selber habe 2 Wochen überhaupt nicht über meine Krankheit nachgedacht!“
Letzeres kursierte noch den gesamten Rückweg in meinen
Gedanken herum. Die Therapie ihrer Seele hat schon begonnen. Auch wenn ich den
kleinen Welpen am liebsten sofort mitnehmen würde, hoffe ich inständig, dass
ich ihn nie mitnehmen muss!
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